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letzte änderung am 22. märz 2003
(Ellenbogengelenksdysplasie)
Einführung: Während der vergangenen 15-20 Jahren traten in zunehmender Häufigkeit Lahmheiten an den Vordergliedmassen bei jungen Hunden großwüchsiger Rassen auf, die
schon im jugendlichen Alter zur Entstehung degenerativer, arthrotischer Veränderungen an den betroffenen Gelenken führen. Hierbei war eine ständig wachsende Anzahl an Ellbogengelenkserkrankungen festzustellen deren
Differenzierung zunehmend exakter wurde. Anfang der sechziger Jahre war nur der so genannte Isolierte Processus Anconeus (IPA) (vorwiegend beim DSH auftretend) bekannt, andere Ellbogenerkrankungen, die mit Arthrosen
einhergingen wurden als idiopatische Gelenkarthrose bezeichnet (und so nur konservativ behandelt). Zu Beginn der siebziger Jahre wurden erstmals der (damals so bezeichnete) Isolierte Processus Coronoideus medialis
(IPC) und die Osteochondrosis Dissecans (OCD) am Ellbogengelenk junger, lahmender Hunde beschrieben. Nachdem man herausgefunden hatte, dass der Processus coronoideus medialis ulnae keinen eigenen Verknöcherungskern
aufweist, wurde der ICP in "Fragmentierten Processus Coronoideus" (FCP) umbenannt.
Anatomie: Das Ellbogengelenk, ein so genanntes Scharniergelenk, besteht aus drei verschiedenen Knochenanteilen. Die proximale Gelenkfläche wird von der Gelenkwalze
des Oberarms gebildet. Diese wird vom oberen Anteil der Elle umfasst, die eine halbmondförmige Aussparung aufweist, wobei sie im oberen Teil den Processus anconeus als zapfenförmigen Fortsatz aufweist und nach unten
in einem aussen gelegenen kleineren Processus coronoideus lateralis und innen in einem grösseren Processus coronoideus medialis (innerer und äußerer Kronfortsatz) ausläuft. Diese beiden unteren Fortsätze umgreifen
wiederum den Radiuskopf, dessen Gelenkfläche ca. 80% des Körpergewichtes trägt (die beiden Processus coronoidei zusammen übernehmen ca. 20 %).
Ätiologie: Sowohl FCP als auch OCD treten häufig bei Hunden im Alter von vier bis fünf Monaten (seltener bei älteren Tieren) während der Hauptwachstumsphase auf.
Verschiedene Rassen z.B. Rottweiler, Golden Retriever, Labrador Retriever, Berner Sennenhunde, Bernhardiner, Chow-Chow, aber auch Mischlinge, die mit einer dieser Rassen verwandt sind, sind gehäuft betroffen. Die
Tiere sind häufig im Vergleich zu Altersgenossen relativ schwer (ca. 17-25 kg Körpergewicht). Männliche Tiere, die in der Regel schneller wachsen, sind öfter betroffen als weibliche Hunde. Häufig handelt es sich um
besonders bewegungsfreudige Tiere, die auch früh beansprucht werden (lange Spaziergänge, Spielen mit älteren Hunden) und zusätzlich zum bereits reichhaltigen Welpenfutter noch Mineralstoffzusätze erhalten womit
wiederum die Wachstumsgeschwindigkeit beschleunigt wird.
OCD: Die Osteochondrosis dissecans im Bereich des innen gelegenen Abschnittes der Gelenkwalze des Oberarms stellt eine Störung der enchondralen
Ossifikation dar. Das Wachstum der Röhrenknochen erfolgt, sowohl im Bereich der Gelenkflächen, als auch an den Wachstumsfugen, zunächst in Form von Knorpelzellen, die dann später verkalken und in Knochenzellen
umgewandelt werden. Die Knorpelzellen im Bereich der Gelenkflächen werden durch Diffusion der Nährstoffe aus der Gelenkflüssigkeit ernährt. Wird die Knorpelschicht infolge einer zu hohen Wachstumsgeschwindigkeit (zu
langsame Verknöcherung) zu dick, führt dies zum Absterben von Knorpelzellen an der Grenze zum Knochen. Zusätzliche mechanische Beanspruchung stellt einen weiteren Faktor dar, so dass Risse und Fissuren im
Gelenkknorpel entstehen und sich teilweise ganze Schuppen ablösen. Als Folge gelangt Gelenkflüssigkeit in Kontakt mit dem unter dem Knorpel gelegenen Knochen und den abgestorbenen Knorpelzellen. Eine
Entzündungsreaktion wird hervorgerufen die eine vermehrte Gelenkfüllung, Dehnung der Kapsel, Schmerz und damit Lahmheit bewirkt. Abgelöste Knorpelschuppen verbleiben in der Regel an ihrem Platz, können aber auch als
freie Gelenkkörper im Gelenk gefunden werden.
FCP: (Fragmentierter Processus Coronoideus medialis) Der Processus coronoideus medialis verknöchert bei Hunden großwüchsiger Rassen erst im Alter von vier
bis fünf Monaten. Bis zu diesem Zeitpunkt ist er sehr empfindlich gegenüber jeglicher Überbelastung. Kommt es zu einer Stufenbildung im Ellbogengelenke durch unterschiedliches Längenwachstum von Elle (Ulna) und
Speiche (Radius), kann es, bei einer längeren Elle, zur Überbelastung des Processus coronoideus medialis kommen, so dass dieser partiell von der Elle abbricht. Auch wenn die Aussparung in der Elle, die den Oberarm
umfasst zu "eng" ist, kommt es, durch eine Gewichtsverlagerung der Gelenkwalze nach vorne, zur Stressfraktur des Fortsatzes. Im Falle einer Fraktur (Bruch) dringt Gelenkflüssigkeit in den Bruchspalt ein,
wodurch wieder ein Entzündungsprozess in Gang gesetzt wird. Zusätzlich zur klinisch sichtbaren Lahmheit führen beide Erkrankungen zur Entstehung sekundärer Arthrosen, welche die Nutzbarkeit des Hundes in seinem
weiteren Leben erheblich beeinträchtigen können. FCP und OCD treten bei vielen Hunden an beiden Vordergliedmassen auf. Somit bedarf es oft eines zusätzlichen Traumas (mechanischer Enwirkung) an einem der beiden
Vordgliedmassen, bis der Hundehalter an dem stärker schmerzhaften Bein eine Lahmheit erkennen kann. Zu diesem Zeitpunkt haben die Hunde oft schon eine Alter von 10-14. Monaten erreicht und die Arthrosen sind
entsprechend weit fortgeschritten. Untersuchungen in Schweden, Norwegen und England haben ergeben, dass bei beiden Erkrankungen eine genetische Disposition vorliegt. Durch eine Anpaarung von Hunden ohne FCP und/oder
OCD bzw. ohne Arthrose, konnte die Häufigkeit der Erkrankung deutlich herabgesetzt werden (ähnlich wie bei der Hüftgelenksdysplasie).
Klinische Symptomatik: Die erkrankten Hunde zeigen häufig eine Auswärtsstellung der Vorderpfoten, die Ellbogengelenke werden eng am Körper gehalten. Tritt eine
Lahmheit auf, ist diese anfangs intermittierend, stärker nach Ruhe und/oder Belastung und verstärkt sich im weiteren Krankheitsverlauf oft bis zur hochgradigen Lahmheit. Bei längerer Krankheitsdauer kann sich eine
Muskelatrophie der Oberarmmuskulatur entwickeln. Die Gelenke sind vermehrt gefüllt und schmerzhaft bei Manipulation (passiver Bewegung und Druck). Bestehen schon erhebliche Arthrosen, können Reibegeräusche hörbar
sein und Bewegungseinschränkungen des Gelenkes vorhanden sein.
Radiologie: Eine wichtige Rolle bei der Diagnostik und Differenzierung der verschiedenen Ellbogenglenkerkrankungen kommt der radiologischen Untersuchung zu. Dazu ist
eine hohe Aufnahmequalität von großer Wichtigkeit, da, besonders im Anfangsstadium der Erkrankung die Röntgenveränderungen sehr diskret sein können und eine genaue Betrachtung der Aufnahmen erforderlich ist. Es
sollten immer, auch bei einseitiger Lahmheit, beide Ellbogengelenke geröntgt werden. Zur exakten radiologischen Darstellung des Ellbogengelenkes existiert eine große Anzahl von unterschiedlichen Röntgenprojektionen,
bei denen jeweils unterschiedliche Gelenkabschnitte besonders hervorgehoben werden. Eine weitere Möglichkeit bietet die Anfertigung von Schichtaufnahmen. Während man die Osteochondrosis dissecans in der Regel direkt
durch Röntgenaufnahmen nachweisen kann, ist dies bei Brüchen im Bereich des Kronfortsatzes nur selten möglich. Zum radiologischen Nachweis eines FCP ist man meistens auf die Interpretation sekundärer Veränderungen
angewiesen. Das Ziel ist es, die Erkrankung vor dem Auftreten massiver Arthrosen zu diagnostizieren.
Therapie: Während OCD-Defekte ohne Schuppenbildung oder freie Gelenkmäuse bei strikter Ruhe und Futterumstellung ausheilen können, besteht bei größeren Läsionen
oder dem Vorliegen von Knorpelschuppen nur die Möglichkeit der operativen Entfernung der Dissekate und des Auskratzen des Dissekatbettes. Auch beim FCP sollte die operative Therapie mit Exstirpation des
abgebrochenen Knorpel-Knochenstückes möglichst frühzeitig vorgenommen werden. Ziel der Untersuchung: Ziel der Untersuchung ist es, im Zusammenhang mit den klinischen Befunden, möglichst frühzeitig geringste
Röntgenveränderungen zu diagnostizieren und sie gegenüber weiteren, differentialdiagnostisch in Frage kommenden Erkrankungen wie andere erblich bedingte Erkrankungen, angeborene und traumatisch bedingte
Veränderungen abzugrenzen. Es soll erreicht werden die Diagnose der geschilderten Erkrankungen, besonders bei den prädisponierten Rassen so frühzeitig als möglich zu stellen, um vor dem Auftreten starker
arthrotischer Veränderungen eine Behandlung einzuleiten. In der Folge sollen Langzeitergebnisse konservativ und operativ behandelter Hunde erhoben werden, da hierüber noch keine aussagefähigen
Untersuchungsergebnisse vorliegen, bzw. schlechte Ergebnisse eventuell auf das operative Vorgehen und/oder die schon deutlichen Veränderungen vor der Operation zurückzuführen sind.
Prophylaxe: Für IPA, FCP und OCD sind genetische Dispositionen (ähnlich wie bei der Hüftgelenksdysplasie) nachgewiesen. Die Manifestation der Erkrankung oder ihr
Schweregrad können durch eine Verbesserung der Haltungsbedingungen beeinflusst werden. Dazu gehören vor allem Fütterung und Bewegung. Wenn die Hunde älter als drei Monate sind dürfen sie nicht "überfüttert"
werden (zu hoher Gesamtenergiegehalt; Rohprotein sollte 22-25% betragen) und das Zufüttern von Mineralstoff.- und/oder Vitaminpräparaten sollte, ausser bei nachgewiesenen Mangelzuständen, unterbleiben. Die
"kontrollierte" Fütterung wird die Endgrösse der Tiere nicht beeinflussen sondern zu einer langsameren, gleichmäßigeren Wachstumsgeschwindigkeit führen und damit das Risiko für die Manifestation von
"Wachstumserkrankungen", die im Alter von drei bis sieben Monaten auftreten, herabsetzen. Für die frühzeitige Diagnose ist es wichtig, lahmende junge Hunde prädisponierter Rassen einer genauen Untersuchung zu
unterziehen (klinisch und radiologisch). Sind bei Hunden im Alter von vier bis fünf Monaten noch keine Röntgenveränderungen im Ellbogengelenk zu finden , müssen vier bis sechs Wochen später unbedingt
Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden!!! Da nachgewiesen ist, dass FCP/OCD erblich Erkankungen sind, besteht das Ziel darin, ihr Auftreten durch Selektion in der Zucht zu verhindern. 1989 wurde die IEWG
(International Elbow Working Group) gegründet, der spezialisierte Tierärzte verschiedener Länder, aber auch andere Mitglieder angehören. Ihr Ziel ist es, die erblichen Ellbogengelenkerkrankungen nach einem
international einheitlichen Screening zu erfassen, ihre Häufigkeit zu ermitteln und die erhobenen Daten statistisch auszuwerten. Da zur Diagnose von OCD/FCP viele verschiedene Röntgenprojektionen gefordert werden,
ein Verfahren das sich für Reihenuntersuchungen, ähnlich dem HD-Röntgen nicht eignet (z.B. aus finanziellen Gründen), wurde als Standardaufnahme pro Ellbogen je eine mediolateral-gebeugte Projektion, im Winkel von
ca. 45° gefordert. Manche Gutachter verlangen zusätzlich eine craniocaudale Aufnahme. Mit diesen Aufnahmen, die im Alter von mindestens einem Jahr angefertigt werden sollen, werden die sekundär entstehenden
arthrotischen Veränderungen in unterschiedliche Schweregrade eingeteilt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sollten allen Interessierten (z.B. Tierärzte, Züchter, Genetiker) zur Verfügung stehen, so dass
Informationen über den Status der Ellbogengelenke einer Hündin/eines Rüden vor der Belegung verfügbar sind. In skandinavischen Ländern, wo solche Zuchtprogramme schon seit vielen Jahren durchgeführt werden, werden
Hunde mit Arthrosen am Ellbogengelenk nicht automatisch von der Zucht ausgeschlossen, aber die Züchter nutzen die Möglichkeit, mit den zur Verfügung stehenden Daten, nicht betroffene Hunde in der Zucht zu
bevorzugen. Bereits dadurch konnte die Inzidenz von FCP und OCD deutlich herabgesetzt werden.
Text: S. Schleich, Chir. Vet. Klinik, Universität Giessen
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