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letzte änderung am 25. februar 2003
... beim Hund
Formen der Epilepsie Als Epilepsie bezeichnet man gemeinhin das wiederholte Vorkommen von
Anfällen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass Anfälle aus unterschiedlichsten Gründen auftreten können. Deshalb wird die Epilepsie in zwei große Kategorien eingeteilt, die leider mit unterschiedlichsten Namen
belegt werden.
Kategorien der Epilepsie
Primäre Epilepsie, idiopathische Epilepsie, echte Epilepsie
Hauptmerkmal: Verbreitete Form, genetisch bedingt oder vererblich
Sekundäre Epilepsie, symptomatische Epilepsie, erworbene Epilepsie
Anfälle werden verursacht durch frühere oder vorhandene Krankheiten
Genau genommen kann man nur die primäre Epilepsie
wirklich als Epilepsie bezeichnen. Die sekundäre zeigt sich allerdings in ihren Symptomen kaum anders als die primäre. Trotzdem unterscheidet die Medizin noch in zwei Erscheinungsformen der Anfälle, die dem
Tierarzt möglicherweise weiterhelfen bei der Diagnose der Ursache.
Erscheinungsformen der Anfälle
(primäre und sekundäre Epilepsie)
Genereller Anfall
Beschreibung: Das gesamte Hirn des Hundes ist betroffen. Plötzliche Versteifung des ganzen Körpers, Verdrehen der Augen, wiederholte, rhythmische Krämpfe in den Extremitäten. In der Regel
Bewusstseinsverlust.
Post-ictale-Phase (nach dem Anfall)
Tier ist erschöpft, schwer oder gar nicht ansprechbar. Dauer abhängig von der Dauer des Anfalls.
Partieller Anfall
Nur ein Teil des Hirns ist betroffen. Unterschiedliche Erscheinungsformen wie Zucken einzelner Gliedmaßen, einseitige Krämpfe, laufende Wiederholung bestimmter Bewegungen. In der Regel kein Bewusstseinsverlust.
Keine post-ictale Phase, vielleicht leichte Verwirrung
Bei den schweren, generellen Anfällen hat der Hund kein Wahrnehmung, er kann sich auch später nicht daran erinnern. Diese Tatsache ist natürlich nicht
beweisbar, aus der Human-Medizin hat man jedoch eindeutige Erkenntnisse, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch auf das Tier übertragen werden können. Es wird angenommen, dass der Hund keine
Schmerzen hat.
Ursachen der Epilepsie
Für eine erfolgreiche Behandlung (und die ist möglich!) ist es unerlässlich, die genaue Ursache für die Anfälle herauszufinden.
Die
primäre Epilepsie
ist, wie gesagt, genetisch bedingt und wurde durch Vererbung erworben. Die genauen Hintergründe sind immer noch nicht vollständig erforscht, vermutet wird ein genetischer Defekt im Bereich der Neuronalen Membranen bzw. der Neurotransmitter. Eine definitive Diagnose der primären Epilepsie ist in den seltensten Fällen möglich. Sie tritt meist im Alter von 1 – 5 Jahren zutage.
Um so wichtiger ist es deshalb, alle Möglichkeiten zur Untersuchung bzgl. einer sekundären Epilepsie auszuschöpfen, besonders dann, wenn bei den Vorfahren und Verwandten des Tieres kein Verdacht auf eine
vererbte Anlage gegeben ist.
Mit anderen Worten und genau genommen:
eine primäre Epilepsie kann nur dann sicher diagnostiziert werden, wenn eine sekundäre ausgeschlossen worden ist. Wenn
allerdings im Wurf oder sonstiger Verwandtschaft Epilepsie verbreitet ist, kann man sich kostspielige Untersuchungen in Richtung einer sekundären Epilepsie ruhig sparen. Sie kann zwar auch dann nicht 100-prozentig
ausgeschlossen werden, aber die Wahrscheinlichkeit einer primären Epilepsie ist sehr hoch. Nicht vergessen werden darf hier die Frage des Alters. Ein Tier, das noch kein Jahr alt ist und bereits Anfälle hat, hat
höchstwahrscheinlich keine primäre Epilepsie, da diese in der Regel nur im Alter zwischen 1 und 5 Jahren auftritt.
Sekundäre Epilepsie
Wie der Name schon andeutet, haben diese Anfälle
eine indirekte Ursache. Man spricht hier von versteckten (underlayed) Krankheiten, die zu Anfällen führen wie bei der echten Epilepsie.
Die häufigsten Ursachen und Altersgruppen der sekundären Epilepsie:
Extracranial(außerhalb des Schädels) Metabolisch (stoffwecheselbedingt) Hypoglykämie (Blutzuckermangel) Hypokalzämie (Kalziummangel) Encephalopathia hepatica Hyperlipoproteinämie
Toxisch (durch Vergiftung)
Intracranial (innerhalb des Schädels)
Entwickelt Hydrocephalus (Wasserkopf) Lissencephaly Stoffwechselerkrankungen
Geschwulste Ansteckungen Tollwut Staupe Rickettsien Protozonale Erkrankung (einzellig) Pilzerkrankungen Granulomatöse meningoencephalitis
Trauma Vasculär (Blutgefäße)
Außerdem noch:
Hyponatremia (Untermenge von Natrium im Blut), Hypomagnesiämie (Untermenge von Magnesium) und Hyperkalämie (Übermenge an Kalium) sowie Dehydrierung
Vererbung von Epilepsie
Die primäre Epilepsie entsteht ausschließlich durch Vererbung, die sekundäre wird zwar erworben, wobei die Ursachen aber vererbt werden können, was dann einen ähnlichen Effekt hat.
Vererbung
geht genau genommen immer den gleichen Weg, ob bei positiven oder bei negativen Eigenschaften. Gerade in der Hundezucht wird ein solcher Weg der Vererbung immer wieder gerne eingesetzt, um so z.B. Rasseeigenheiten
zu erhalten, zu verstärken oder zu korrigieren. Leider geschieht dies nun auch unkontrolliert, was natürlich bei negativen Erscheinungen nicht gerade erwünscht ist.
Grundsätzlich werden drei
Arten der Vererbung unterschieden:
Die defekten Gene sind:
dominant
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einfach rezessiv
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polygenetisch rezessiv
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In einem der beiden Elterntiere ist ein solch dominantes Gen vorhanden und wird an den Wurf weitergegeben.
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beide Elternteile haben die gleiche Veranlagung, also gleichartige Gene, dieses "Paar" wird an den Wurf
weitergegeben.
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beide Elternteile haben für sich unterschiedliche Gene, die einzeln keine Wirkung haben, aber in der Kombination die
Krankheit vererben.
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Befall:
rund 50% des Wurfes sind befallen, aber nur bei einem Teil davon kommt die Epilepsie zum Ausbruch.
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Befall:
75 % des Wurfes sind befallen, ca. 25 % haben Epilepsie, 50 % sind nur Träger, 25 % sind ohne Befall.
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Befall:
30 - 40 % des Wurfes ist befallen, aber nur bei einem Teil kommt die Epilepsie zum Ausbruch.
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(Quelle: Todd Wood: Epilepsy in Dogs)
Alle drei Arten sind aus mehreren Gründen fatal.
Zunächst kann man es den auslösenden Tieren nicht ansehen, ob sie das Gen in sich haben. Sie können nur Träger des Defektes sein, ohne selbst jemals einen Anfall zu haben (oder erst Jahre nach dem Deckakt).
Das gilt für alle drei Kategorien. Der nächste fatale Umstand ist die Auswirkung auf den Wurf. Die Tiere, bei denen Epilepsie sichtbar
wird, sind zu identifizieren - aber erst wenn sie mindestens ein Jahr alt sind. Problematischer ist es mit dem Rest des Wurfes: welche Tiere "nur" Träger des defekten Gens (und damit potentielle
Weitervererber) sind, lässt sich nicht feststellen. In allen Fällen ist das sicherste, die Welpen aus diesem Wurf auf keinen Fall zur Zucht zu verwenden. Ähnliches gilt auch für die Eltern.
Man kann natürlich die Wahrscheinlichkeit, woher der Defekt kommt, eingrenzen. Hat z.B. ein Muttertier bereits mehrere gesunde Würfe hinter sich, und treten bei einem neuen
Deckrüden plötzlich Epilepsien im Wurf auf, kann man weiterforschen. Sind in der Linie des Rüden schon Epilepsiefälle aufgetreten, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Rüde ein dominantes Gen
trägt, groß - aber nicht sicher (es könnte ja noch ein polygenetischer Fall sein). Mit der Hündin könnte man also in einem solchen Fall die Weiterzucht riskieren.
Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es aber nicht. So bleibt es wohl eine Sache des moralischen Ermessens, in welchem Fall mit welchen Tieren weitergezüchtet wird. Sicher ist nur eins: nur ein
kompletter Ausschluss von Eltern und Nachkommen aus der Zucht verhindert eine Verbreitung.
Behandlung der Epilepsie
Epilepsie kann medikamentös behandelt werden. Krampfhindernde Medizin ist vielfach erprobt, und jeder Tierarzt kennt sich hier bestens aus. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Grundlage der
primären Epilepsie kann nicht beseitigt werden, aber die Symptome können meistens und deutlich gelindert werden.
Aber man sollte über die Frage, behandeln oder nicht (sprich: einschläfern lassen), nicht zu schnell hinweg gehen. Erstens ist Epilepsie nicht gleich Epilepsie. Es gibt starke und weniger starke
Ausprägungen. Aber egal um welche Intensität es sich handelt, so sollte man doch immer daran denken, dass das Tier keinen Schmerz spürt. Der Mensch ist es in erster Linie, der mit der Krankheit
bzw. seiner Erscheinungsform Probleme hat. Oft wird die voreilige Entscheidungen zum Einschläfern epileptischer Hunde von Menschen
getroffen, die sich davor fürchten, dass ihr Tier einen Anfall hat oder die fälschlicher Weise annehmen, dass das Tier während und nach der Attacke schrecklich leidet. Während eines Anfalls
sind die Tiere nicht in der Lage, Schmerzen oder Angst wahrzunehmen, zumindest erinnern sie sich nicht daran. Dies basiert auf Erkenntnissen bei der Epilepsie des Menschen, und ist - obwohl nicht
völlig beweisbar - eine verlässliche Extrapolation aus der Human-Medizin. Der Anfall ist fast immer für den Betrachter wesentlich traumatischer als für das Tier selbst.
Das Bemühen, das Tier vor Verletzungen zu schützen (ins Wasser fallen, gegen irgend etwas zu laufen ...) ist alles, um was sich ein Dabeistehender kümmern sollte - nicht darum, dass das Tier
während des Anfalls leiden könnte.
In Bezug auf die Lebensqualität muss noch ein anderer Mythos zerstört werden, nämlich dass
epileptische Tiere unglücklich und nicht in der Lage sind, ein zufriedenes Leben zu führen. Viele Besitzer berichten von einer andauernden Veränderung im Temperament nach dem ersten Anfall,
und einige berichten, dass der Hund anscheinend nicht mehr so glücklich ist, seit er krampfhemmende Medikamente bekommt. Trotzdem ist es völlig normal, dass diese Tiere ein
langes und erfülltes Leben haben - mit gelegentlichen oder seltenen Anfällen. Und es ist so gesehen unmoralisch, den voreiligen Schluss zu ziehen, dass man sich um diese Tiere nicht liebevoll
kümmern kann und ihnen daher nicht erlaubt, friedlich und in der Umgebung ihrer Familie ihr Leben zu verbringen.
Behandlung Die Medikation erhält man immer vom Tierarzt
. Eines muss man aber unbedingt selbst sicherstellen: Die konsequente Einhaltung der verordneten Dosis. Der Tierarzt wird von Zeit zu Zeit
die Wirkung überprüfen und die Dosis anpassen. Einer der häufigsten Fehler, die von Hundehaltern in diesem Fall gemacht wird, ist der, dass sie die Dosis unterschreiten (z.B. weil sie von den
Nebenwirkungen abgeschreckt werden) anstatt der Steigerung der Dosis, wie sie der Tierarzt verordnet hat, bedingungslos zu folgen. Und warten sie nicht zu lange: spätestens beim zweiten
Anfall sollte mit der Behandlung begonnen werden - je früher, desto größer sind die Erfolgschancen. Der etwas ruhigstellende Effekt (Sedativum) der Medikamente lässt meist nach ein paar Wochen
nach, und die anderen Nebenwirkungen mögen sich schlimm anhören - aber, was ist denn schlimmer: permanente Steigerung der epileptischen Intensität oder kontrollierte Nebenwirkungen?
Zum Abschluss sei nochmals gesagt: Es ist darauf zu achten, dass die Möglichkeiten einer sekundären Epilepsie ausgeschlossen, d.h. untersucht worden sind. Sie sind zwar relativ in der
Unterzahl, aber es nützt dem Hund wenig, wenn er krampfhindernde Medikamente bekommt, in Wirklichkeit aber eine Korrektur im Stoffwechsel angebracht (und ausreichend) wäre. Wenn der
Tierarzt von Anfang an und ohne weitere Nachfrage von einer primären, vererbten Epilepsie ausgeht – sollte man sich einen anderen Tierarzt suchen.
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