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letzte änderung am 26. februar 2003
Hüftgelenkdysplasie (HD)
Erstmalig beschrieben wurde die Hüftgelenkdysplasie (HD) 1935 von dem amerikanischen Tierarzt Schnelle. Von ihm stammt auch die Klassifizierung
der HD nach den Schweregraden I - IV.
Bei der HD handelt es sich um eine genetisch beeinflusste Fehlentwicklung der Hüftgelenke (vorrangig bei mittelgroßen bis großen Rassen), an deren Ausbildung mehrere
Gene beteiligt sind. (= polygenetische Vererbung). Deshalb gibt es alle nur erdenkbaren Abstufungen an Schweregraden. Der Grad der Ausprägung kann auch durch äußere Faktoren (Bewegung, Fütterung) beeinflusst
werden.
Äußere Anzeichen einer Hüftgelenkdysplasie können sich in Form von Bewegungsunlust, steifem bis wackeligem Gang der Hinterbeine, Schwierigkeiten beim Aufstehen und herabgesetzter Lauffreude
zeigen. Die Ausprägung erfolgt erst während der Skelettentwicklung, so dass eine endgültige Beurteilung erst nach Abschluss der Skelettentwicklung (kleine und mittelgroße Hunde mit 12 Monaten, große Hunde mit
18 Monaten) erfolgen kann (dabei ist jedoch zu beachten, dass die knöchernen Veränderungen einer HD nicht die Symptome sonder die Folgeerscheinungen der Erkrankung sind). Infolge der Fehlbildung stimmen
Hüftgelenkpfanne und Hüftgelenkkopf in ihrer Form nicht überein. Es kommt zu Fehlbelastungen mit Schädigung des Gelenkknorpels. Dadurch entwickeln sich degenerative Gelenkserkrankungen (=Arthrosen).
Gelenksschäden können aber auch auftreten, wenn die Gelenkform zwar korrekt ist, der Gelenkschluss (= Sitz des Kopfes in der Pfanne) aber ungenügend ist. Gründe hierfür sind zu schlaffe Bänder und
Gelenkkapseln. Der Grad der Schädigung und damit der Grad der folgenden Arthrose ist abhängig vom Grad der Fehlbildung, aber auch von der Skelettbelastung.
Die Diagnose erfolgt anhand einer Röntgenaufnahme
unter Vollnarkose. Nur so kann eine vollständige Entspannung der Muskulatur erreicht werden.
Zur Beurteilung des Schweregrads müssen folgende Kriterien beurteilt werden:
· Lagerung · Pfannenform · Form des Oberschenkelkopfes · Sitz des Kopfes in der Pfanne
· Form des Oberschenkelhalses · Größe des Gelenkspaltes
Zusätzlich wird noch eine Messung des sog. Norberg-Winkels mit einer speziellen Schablone direkt
am Röntgenbild durchgeführt.
Erwünscht ist ein Wert von 105 Grad oder darüber, geringere Werte deuten auf flache Pfannen oder auch lose Hüften hin (Bei dieser Messung ist allerdings zu beachten, dass es
rassebedingte anatomische Unterschiede beim Hüftgelenk gibt).
Je nach Ausmaß der erkennbaren Veränderungen erfolgt eine Einteilung in verschiedene Schweregrade:
Normal (A): unauffällige Gelenke, Norberg-Winkel von 105 Grad oder mehr
Fast normal (Übergang oder HD-Verdacht(B)): geringe Veränderungen an Kopf oder Pfanne, Norberg-Winkel von mindestens 100 Grad
Leicht (C): Inkongruenz, divergierender Gelenkspalt, Norberg-Winkel um 100 Grad
Mittel (D): gravierende
Veränderungen mit arthrotischen Zubildungen, Norberg-Winkel zwischen90 und 100 Grad
Schwer (E): das gesamte Gelenk ist stark verändert, evtl. eine vollständige Luxierung, Norberg-Winkel unter 90 Grad
Jeder dieser Schweregrade
lässt sich nochmals mit 1,2 oder 3 in der Schwere differenzieren.
Behandlungsmethoden:
Je nach Schweregrad, Alter und Größe des Hundes bietet sich entweder eine konservative (= das Hüftgelenk wird erhalten, der Zustand wird durch
Medikamente, optimierte Fütterungs- und Haltungsbedingungen, unterstützende physikalische Methoden (Magnetfeld etc.) zu bessern versucht) oder eine chirurgische Behandlung an.
Konservative Therapie:
Nichtsteroidale Antiphlogistika (Entzündungshemmer): Die Wirkung beschränkt sich auf die Dauer der Anwendung
(Dauertherapie), das Ziel ist die Schmerzausschaltung. Nachteil: Durch die scheinbare Beschwerdefreiheit bewegt sich der Hund wieder sehr aktiv, was zu einer weiteren Verschlechterung der Hüfte führen
kann.
Glukosaminglykane und Mukopolysaccharide: Diesen Wirkstoffen wird eine knorpelschützende (= chondroprotektive) Eigenschaft zugesprochen. Sie werden in Form einer Injektionskur verabreicht, die
alle 4 - 6 Wochen wiederholt werden sollte. Nachteil: mögliche Komplikationen bei einer Keimverschleppung ins Gelenk und ein relativ hoher Preis.
Anabolika: Diese Hormonpräparate stabilisieren durch einen
gezielten Muskelaufbau das Gelenk und werden deshalb vorwiegend bei losen Gelenken eingesetzt.
Chirurgische Therapie:
Muskeldurchtrennung (Pestinektomie): Hierbei wird
der Musculus pektineus (= Einwärtszieher des Hinterbeines), der vom Schambein zum unteren Teil des Oberschenkels verläuft und das Hinterbein an den Körper heranführt, durchtrennt. Bei erkrankten Hüftgelenken
ist dieser Muskel vergrößert und drückt den missgebildeten Oberschenkelkopf aus der abgeflachten Gelenkpfanne heraus, der Gelenkknorpel wird schmerzhaft gequetscht. Diese Schmerzen wiederum
bewirken oft eine Verkrampfung des Muskels, was durch die dauernde Kontraktion zu einer verstärkten Druck- und Zugbelastung des Gelenkknorpels und der Gelenkkapsel führt. Vorteil: relativ leichte
Durchführung, geringe Kosten, beide Gelenke können bei Bedarf gleichzeitig operiert werden.
Pfannendachschwenkung (dreifache Beckenosteotomie): Eine recht aufwendige Operation, bei der zunächst die Gelenkpfanne an
ihren drei
Ansatzstellen aus dem Becken „herausgeschnitten“ und danach mittels einer Schwenkung wieder „eingepaßt“ und mit einer Schraube oder Platte befestigt wird. Durch die Schwenkung sitzt der Oberschenkelkopf wieder tiefer in der Pfanne, die Stabilität des Gelenkes wird erhöht. Nach der OP ist eine Einschränkung der Bewegung für ca. 6 Wochen notwendig.
Nachteil: Gefahr einer Nervenverletzung durch den veränderten Beckendurchmesser. Diese OP ist nur bei starker HD in den Wachstumsmonaten zu empfehlen.
Intertrochantäre Variationsosteotomie: Ein Teil des
Oberschenkelschaftes (Femurschaft) wird entfernt, der Oberschenkelkopf (Femurkopf) durch eine Drehung tief in die Pfanne eingepaßt und anschließend mit einer Winkelplatte wieder am Schaft befestigt.
Ruhephase: ca. 6 Wochen. Diese Methode wird vor allem bei jungen Hunden ohne Arthrosen und intakter Pfanne angewandt.
Hüftgelenksprothese: Der Femurkopf und der Femurhals werden ganz abgesetzt und die Pfanne ausgefräst. Das Implantat
besteht aus einer in das ausgefräste Becken zementierten Kunststoffpfanne und einer in den Femurschaft zementierten Kobalt-Chrom- bzw. Titan-Prothese. Der Hund sollte absolut gesund sein, da z.b. Entzündungen
der Ohren, Harnblase etc. gefährliche Keimherde darstellen und bei einer Keimverschleppung ins OP-Gebiet das Leben des Hundes gefährden können. Nachteil:
Hohe Kosten, Risiko einer Gelenksinfektion mit nachfolgender Implantatlockerung.
Femurkopfresektion: Totale Entfernung des Oberschenkelkopfes ohne einen künstlichen Ersatz. Innerhalb von 6 - 8 Wochen bildet der Körper eine bindegewebige
Verbindung zwischen dem verbliebenen Femurschaft und der Hüfte (Pseudarthrose). Diese Methode ist nur bei kleinen Hunden angezeigt, da das „Pseudogelenk“ dem Gewicht größerer Hunde auf Dauer nicht standhalten
kann.
Goldimplantation: In
HD-kranken Hüften konnte ein gestörter Säure-Basen-Haushalt nachgewiesen werden. Wird diese negative Spannung neutralisiert, wird die Hüfte schmerzfrei. Bei der Goldakupunktur werden 9 Goldkügelchen an den
Akupunkturpunkten rund um das Hüftgelenk implantiert. Die Hunde sind kurz nach der Akupunktur schmerzfrei und bewegen sich ohne Einschränkungen.
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HD-Belastung in Prozent bei verschiedenen Hunderassen
HD-Statistik von OFA, einziger mir bekannter Rasse (Club) unabhängige HD-Auswertung/Registratur mit öffentlichen Daten.
Wobei nur die 29 schwerer als der Deutsche Schäferhund HD-belasteten Rassen aufgelistet wurden, in Klammern Prozent der HD-Geschädigten) :
1. Bulldog (73.3) 2. Pug (62.4) 3. Otterhound (52.3)
4. Clumber Spaniel (50.3) 5. Neopolitan Mastiff (47.0) 6. St. Bernard (47.0) 7. Boykin Spaniel (43.7) 8. Sussex Spaniel (42.9) 9. American Bulldog (36.2) 10. Newfoundland (27.1)
11. American Stafforshire Terrier (26.2) 12. Bloodhound (25.9) 13. Bullmastiff (25.8) 14. Chinook (25.2) 15. Fila Brasileiro (24.9) 16. Maine Coon Cat (23.3) 17. Chesapeake Bay Retriever (23.0)
18. Golden Retriever (21.3) 19. Gordon Setter (21.1) 20. Rottweiler (21.1) 21. Field Spaniel (21.0) 22. Chow Chow (21.0) 23. Old English Sheepdog (20.5) 24. Kuvasz (20.5)
25. Norwegian Elkhound (20.5) 26. Giant Schnauzer (20.4) 27. Mastiff (20.2) 28. Greater Swiss Mountain Dog (20.2) 29. American Pit Bull Terrier (20.0) 30. German Shepherd Dog (19.6)
In dieser
Liste sind die Mischlinge nicht vertreten, weil nur Rassen mit mindestens 100 Auswertungen berücksichtigt wurden und nicht etwa weil Mischlinge gesünder sind.
Bemerkung am Rande, die Nummer 16 auf der Liste ist keine Hunderasse ...
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